#THENEWNORMAL

Vmm Vorstand Stelzer

“Die Customer Journey verändert sich nachhaltig!” 

VMM-Präsident Christoph Stelzer zur aktuellen Situation im stationären Handel unter dem Einfluss von Corona. 

Wir sehen ab Mitte 2020 die erste Stabilisierung des Handels nach der Corona-Krise und blicken optimistisch in die Zukunft.

Wir erwarten, dass die globale Gemeinschaft gestärkt aus der Krise gehen wird, wenngleich sich vieles durch die Auswirkung der Pandemie verändern wird – insbesondere im Hinblick auf den Retail. 

Die globale Gemeinschaft erfährt durch das einschneidende Erlebnis der Pandemie ein gemeinsames globales Ereignis, welches das globale Mindset verstärken und festigen wird. Trotz der starken Rückbesinnung auf lokale Angebote im Retail werden auch weiterhin internationale Güter konsumiert werden, jedoch werden diese fortan stärker hinterfragt und bedachter ausgewählt werden. 

Das allgemeine Bedürfnis nach Sicherheit durch Steuerung und Information wird steigen und künftig als holistisches Modell betrachtet werden. Neben den vielen negativen Auswirkungen der Pandemie zeigen sich auch positive Trends bereits während der Krise, speziell in Bezug auf digitale Vernetzung, flexibles und raumunabhängiges Arbeiten sowie der Rückgang der damit verbundenen Reisen und einer damit verbunden positiven Auswirkung auf die Umwelt. 

Konsum findet bedachter statt – unter Abwägungen. Eine wachsende Zahl von Menschen wird sich in den nächsten Monaten nach der Relevanz des Produktes für sich selbst befragen. 

Trotz möglicherweise steigender Kauflaune und einem deutlich gestiegenen Bedürfnis nach sozialer Interaktion und Experience im Handel, wird die Nachfrage nach Produkten mit schwacher USP deutlich rückläufig sein.  

Im Folgenden meine Einschätzung zu einigen aktuellen Fragen in unserer Branche: 

Welche Retail- und Store-Design-Trends sind für 2020 tonangebend?

Für 2020 wird zu großen Teilen ein durchgängig hohes Servicelevel von den Kunden verlangt.  Eine „Corona-Safe Customer Journey“ wird zur Voraussetzung, dass sich Kunden am POS wohlfühlen und bildet damit die Basis, um beim Kunden Kaufimpulse zu aktivieren. Konkret heißt das, Marken müssen das Bedürfnis ihrer Kunden nach Sicherheit und Guidance bzgl. Hygiene und physischem Mindestabstand konsequent bedienen.  

Die notwendige Konsequenz daraus ist eine nachhaltig veränderte Customer Journey der allermeisten POS.  An bekannten Touchpoints werden völlig andere oder erweiterte Aufgaben abgefragt.  Als Beispiel zeigt sich dies unter anderem am Schaufenster und dem Eingangsbereich: Durch „rowing“ ist hier mit deutlich höheren Verweildauern zu rechnen. Darauf sollte ein Händler gleicherweise mit Angeboten reagieren, die den kaufwilligen Kunden einerseits die Zeit vertreiben und andererseits sollte er dieses Fenster an erhöhter Aufmerksamkeit für sich und seine Marke nutzen. 

Wir verstehen diese Maßnahmen als relevanten Teil des Store-Designs. Denn egal ob in einem Refurbish oder Neukonzeptionsprozess, sollte die veränderte Customer Journey – der damit verbundene höhere Platzbedarf und der gestiegene Anteil an funktionaler und serviceorientierter Kommunikation – mit kompetenter Hand in ein markengerechtes Gesamtkonzept eingebunden sein. 

Ein weiterer Trend wird sein, dass sich bestehende Flächenkonzepte, teils erforderlicher Weise durch die notwendige Reduktion des Warenangebots und teils, um ihren Kunden einen Mehrwert zu bieten, in Kooperationen mit anderen Marken und Händlern begeben. Die Pop-Up- Kultur in bestehenden Flächen wird unserer Einschätzung nach einen erneuten Push bekommen. 

Damit einher geht vermutlich auch ein allgemein steigender Anteil von temporären Handelsflächen. Teils als Interimslösung in jüngst entstandenen Leerständen, aber ganz grundsätzlich auch als Konsequenz eines Bedürfnisses der Kunden nach einem „leichteren, weniger bedrückenden“ Einkaufserlebnisses.

Wir sehen hier generell eine Fortschreibung des Trends, dass sich Marken mit starker DNA und klarem Profil, immer mehr durch ihre unique Art und Weise, ihr Produkt und ihre Touchpoints zu inszenieren, erkennbar machen und weniger denn je, durch die immergleiche Hülle des Ortes. Dem Visual Marketing und Merchandising kommt hier ein deutlich erhöhter Stellenwert zu. 

Händler sollten Haltung zeigen. In einer Welt während und nach Corona ist es wichtiger denn je, dass Händler ihre Haltung und Profil nach außen tragen. Warum sind sie relevant für ihre Kunden oder für die Region? Was tun sie Gutes, welches Selbstverständnis prägt die Firma und welche Werte teile ich beim Einkauf bei diesem Händler? Natürlich wird das für internationale Systemfilialisten nicht ganz einfach. Und doch ist das Thema relevant, um sich die Loyalität der Kunden auch zukünftig zu sichern. 

Tue Gutes und rede darüber – auch die klare Kommunikation, warum in dem ein oder anderen Punkt Konsequenzen gezogen wurden, gehört dazu. Ganz generell raten wir auch zu Kooperationen untereinander. Der Handel sollte füreinander einstehen, ein Bekenntnis zu seinem Nachbarn abgeben und Synergien nutzen.Wieso nicht beim Einkauf einen Gutschein für einen „Cafe to Go“ vom Nachbarn ausgeben, um die Qualität beim Schlange stehen zu erhöhen? 

Welches sind unter den aktuellen Rahmenbedingungen die drei wichtigsten Faktoren im Retail und Store Design?

Leichtigkeit und Flexibilität in der Gestaltung der relevanten Touchpoints und Warenträger. Durch ein sich stetig änderndes Marken- und Warenangebot ist es Key, im Raum unterschiedlichste Kapseln und Themennischen zu schaffen. Ein Store sollte durchgängig in Veränderung bleiben. Sowohl vom Produkt als auch vom Erscheinungsbild.

Fokus auf Produkt und Service gilt nicht nur für bestehende Markenwerte. Produkt und Service immer wieder neu zu inszenieren, ist ein Key-Faktor, um dem „verwöhnten“ Kunden immer wieder erneut Anlass zu geben, die Repräsentanz der Marke an bekannten Orten zu entdecken. Instagramable Spaces müssen sich immer wieder neu entdecken lassen, die Produktinszenierung und das Storytelling macht den Markenraum.

Brüche – das Bild des Kunden an das gewohnte Erscheinungsbild der Marke sollte immer wieder neu aufgeladen / gebrochen werden. Der Kunde will überrascht werden, neues Potenzial zu entdecken und damit immer wieder das Gefühl zu bekommen, Marke und Produkte sind am Puls der Zeit. Das gilt vor allem für den Textil- und Lifestyle-Handel, macht aber auch vor dem Luxus-Segment nicht halt. 

Welches sind die größten Fehler, die auf den Flächen begangen werden?

Das ist schnell gesagt: Die Präsentation von zu viel Ware – vor allem austauschbarer Ware – ist ein absolutes NoGo. Wenn diese dann auch noch zu lange gezeigt wird, sind wir sehr schnell bei Langeweile im Produktportfolio. Kontraproduktiv für ein tolles Einkaufserlebnis im Sinne des Wortes ist natürlich auch ein Stillstand in der Inszenierung.

Tipps für Händler mit kleinen Geschäften, Tipps für solche mit Großen?

Letztlich lautet der Tipp für alle Handelsformate gleich:

Klares Profil abbilden, Haltung zeigen, Flexibilität und Freiheit in der Gestaltung des Produktportfolios beweisen, durch gute Inszenierung die Wertschätzung der eigenen Produkte und Marke aufzeigen und Service, Service, Service.